Saturday, February 16, 2008

Brasilien: „Wir kommen um Eure Seelen zu holen“: Der Caveirão und die Polizeistrategie in Rio de Janeiro (März 2006 - Index Number AMR 19/007/2006)

Ein Bericht von amnesty international - Übersetzung Brasilien Koordinationsgruppe der Deutschen Sektion von amnesty international - verbindlich ist das englischsprachige Original - das unter www.amnesty.org zu lesen ist.

Sunday, April 23, 2006


„Stellen Sie sich ein behördliches Fahrzeug vor, das gepanzert und mit einem Totenkopfsymbol und einem Schwert geschmückt ist, mit Polizisten, die hereinkommen und chießen – zuerst auf die Straßenbeleuchtung und dann auf die Anwohner – das ist der ‚Caveirão’. Einem elfjährigen Jungen wurde durch Schüsse, die aus dem Caveirão heraus abgegeben wurden, der Kopf vom Körper gerissen – und wir, die Bewohner, müssen immer noch beweisen, dass es die Polizei gewesen ist.“ (Bewohner der Favela Caju, in der der Caveirão eingesetzt wurde)
2. Dezember 2005

„Wir agieren genauso, wie wir es in einem konventionellen Krieg tun würden, wo die Panzer voran fahren und die Infanterie den Feind umzingelt.“ BOPE1-Kommandant, Colonel Venâncio Moura.

Einleitung

Die Favelas (benachteiligte Wohngegenden) von Rio de Janeiro - von den Berghängen der Zona Sul (südliche Stadtgebiete) zu den Ebenen der Baixada Fluminense - leben in einem Zustand permanenter Anspannung. Es sind einige der ärmsten und am meisten benachteiligten Wohngegenden in Brasilien, in denen es so gut wie keinerlei öffentliche Infrastruktur gibt. Zurückgeworfen auf ihre eigenen Ressourcen haben sich die Favelas von Rio zu einem Netzwerk schmaler Gassen und behelfsmäßiger Schuppen mit improvisierter Sanitär- und Stromversorgung entwickelt. In diesen Wohnvierteln mischen sich die Härten der Armut mit einem ständigen Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung.
Drogenbanden sind dort eingedrungen, um das Vakuum, das vom Staat hinterlassen wurde, auszufüllen. Sie organisieren sich in rivalisierenden Gruppen, die die Stadt beherrschen. Die Antwort der Landesregierung bestand aus einer Serie von immer konfrontativeren Razzien. Diese brachten groß angelegte Polizeieinsätze mit sich, die jedoch nicht nur kriminelle Banden, sondern ganze Favelagemeinschaften ins Visier nahmen.
Vor vier Jahren führte die Polizei ein militärisches Fahrzeug –landläufig bekannt als der Caveirão – ein, das ein weiteres Eskalieren der Gewalt mit sich brachte. Die Einführung des Caveirão markierte eine neue Phase für Rio’s Armenviertel – nunmehr wurden schwere Waffen mitten in Wohngebieten eingesetzt. Der Caveirão sendete auch mächtige Signale darüber aus, wie der Staat über öffentliche Sicherheit dachte. Die Herangehensweise ist, der Gewalt in einer Strategie der Konfrontation und Einschüchterung mit Gegengewalt zu begegnen. Gefangen zwischen der Polizei und den Drogenbanden zahlen Rios am meisten benachteiligte Wohnviertel nun einen hohen Preis.

Was ist der Caveirão?

Der Caveirão ist ein Sicherheitsfahrzeug, das in ein Angriffsfahrzeug militärischen Stils umgewandelt wurde.1 Wörtlich bedeutet der Begriff „Caveirão“ großer Totenkopf – ein Bezug zu dem Emblem des Batalhão de Operações Policiais Especiais (BOPE2), welches gut sichtbar an der Seite des Fahrzeugs angebracht ist. Einige der Veränderungen, die an dem ursprünglichen Fahrzeug vorgenommen wurden, sind eine Geschützhalterung, die um 360° gedreht werden kann und auf dem Dach angebracht wurde sowie Reihen von Geschützöffnungen, die in jede Seite des Fahrzeugs eingelassen sind. Der Caveirão bietet bis zu 12 schwer bewaffneten Polizeioffizieren Platz. Er wurde gebaut, um schweren Geschützen und Sprengkörpern zu widerstehen. Zu diesem Zweck hat er zwei Lagen von Waffenkammern sowie ein Stahlgitter, um die Fenster bei heftigem Beschuss zu schützen. Seine Reifen sind mit einer Substanz überzogen, die Einschüsse verhindert. Seine vier Türen schließen automatisch und können nicht von außen geöffnet werden. Zwei Fluchtluken – eine auf dem Gefechtsturm und die andere im Boden - können in Notfällen genutzt werden. Obwohl der Caveirão acht Tonnen wiegt, kann er Geschwindigkeiten bis zu 120 Stundenkilometern erreichen.
Bis heute haben die Behörden von Rio 10 Caveirões zum Preis von je 135.000 Reais (ca. 62.000 US$) für die Polizeieinheiten in den marginalisierten Wohnvierteln gekauft. Es gibt Pläne, diesen Fahrzeugbestand in den kommenden Jahren noch zu erweitern.
Offenbar soll diese Strategie polizeilichen Handelns auch über Rio de Janeiro hinaus verfolgt werden. Die Tatsache, dass der Bundesstaat Santa Catarina seinen ersten Caveirão im Jahre 2004 gekauft hat, deutet darauf hin. Offizielle Vertreter der Polizei erklären, der Caveirão sei für den Schutz von Polizeibeamten in gefährlichen Missionen unentbehrlich.
Für die Gemeinden, die bereits Einsätzen des Caveirão ausgesetzt waren, stellt sich die Realität ganz anders dar.

Der Caveirão als ein Mittel der Einschüchterung

Polizeieinsätze, die durch den Caveirão angeführt werden, nutzen sowohl physische, als auch psychologische Drohungen, um ganze Wohnviertel einzuschüchtern. Das Emblem des BOPE, ein Totenkopf, der von einem Schwert durchbohrt wird und hinter dem zwei goldene Pistolen gekreuzt sind, sendet eindeutige Signale. Wie auf der Website des BOPE erklärt, symbolisiert dieses Emblem den bewaffneten Kampf, Krieg und Tod.
Amnesty international ist sehr besorgt über die Art und Weise, in der der Caveirão genutzt wird. Die Organisation hat Berichte darüber erhalten, wie Caveirões wahllos um sich schießend in marginalisierte Wohnviertel eindrangen und die Menschen aufforderten, um ihr Leben zu laufen. Gemäß Edilson Santos, dem Direktor des Kulturzentrums Lona Cultural im Komplex Maré, kommen Caveirões ab 10 Uhr routinemäßig in die Favela und schießen. „Häufig, wenn Du von der Arbeit kommst, siehst Du Mütter, Kinder und andere Personen in Panik davonrennen. Es scheint dann so, als ob sie an irgendetwas Schuld seien. Es ist so traurig. Jeder – junge Leute, Kinder, alte Leute, Künstler – wir sind alle beunruhigt darüber, wie unsicher dieses Fahrzeug ist.“
Lautsprecher, die an der Außenseite des Gefährtes angebracht sind, kündigen wiederholt die Ankunft des Caveirão an. Die Nachrichten variieren vom freundlichen „Bewohner, wir sind hier, um Ihr Wohnviertel zu verteidigen. Bitte kommen Sie nicht aus Ihren Häusern, es ist gefährlich.“ über das alarmierende:“ Kinder, geht von der Strasse. Es wird einen Schusswechsel geben.“ bis hin zum offen einschüchternden „Wir kommen, um Eure Seelen zu holen“. Wenn der Caveirão sich jemandem auf der Strasse nähert, ruft die Polizei durch das Megafon: „Hey, Sie dort drüben! Sie verhalten sich verdächtig. Bewegen Sie sich sehr langsam, heben Sie ihr Hemd hoch, drehen Sie sich um…. Jetzt können Sie gehen.“ Amnesty International hat ebenfalls Berichte über Polizisten, die fluchen und abfällige Äußerungen gegenüber Bewohnern - insbesondere Frauen - machen, erhalten.
Der Ton und die Sprache von Polizisten während der Einsätze des Caveirão sind feindselig und autoritär. Die Drohungen und Beschimpfungen haben traumatisierende Effekte auf Bewohner, insbesondere auf Kinder, die sehr sensibel sind. Nach den Aussagen lokaler NGO’s haben Kinder seit der Einführung des Caveirão emotionale und psychische Probleme entwickelt. Die unschuldige Angst vor dem „Schwarzen Mann“ wurde durch die vor dem Caveirão ersetzt – ein trauriges Spiegelbild der Polizeistrategie von Rio de Janeiro.

Tag des Terrors in der Favela Acarí
Am 1. September 2005 erlebte die Favela Acarí einen Tag des Terrors, als das Sondereinsatzkommando eine Razzia durchführte, die vom Caveirão begleitet wurde. Erzählungen von Bewohnern zufolge wurde während der Razzia der 17-jährige Michel Lima da Silva (Michelzinho) in den Kopf geschossen. Sein Körper wurde dann hochgehievt und an einen Haken am Caveirão gehängt, der damit durch das Viertel fuhr und den Körper zur Schau stellte, während die Polizisten für die Rückgabe des toten Körpers Geld forderten.
Die 46-jährige Sancleide Lima Gavão starb ungefähr eine Stunde nach Michelzinho. Sie saß auf den Stufen ihres Bekleidungsgeschäftes und hielt ihren Enkel auf dem Schoß. Neben ihr befand sich ihr Sohn, der Gitarre spielte. Als der Caveirão um die Ecke bog, traf eine Kugel Sancleide in die Brust und verfehlte ihren Enkel um Millimeter. Sie war eine unermüdliche Aktivistin im Einsatz für bessere Lebensbedingungen im „Fim do Mundo“ (Ende der Welt)-Viertel am Ende der Favela Acarí.

Der caveirão und die Eskalation der Gewalt

Die Einführung des caveirão ist Teil des derzeitigen Wettlaufs um die Bewaffnung in Rio de Janeiro, welche zu einer Eskalation der Gewalt geführt hat. Das Institut für Religionswissenschaften (Instituto de Estudos da Religião – ISER), ein Forschungszentrum in Rio de Janeiro, weist darauf hin, dass Gruppen von Drogenhändlern in den favelas Rio de Janeiros sich derart mit Waffen auszurüsten, um der ständig zunehmenden Bewaffnung der Polizei gewachsen zu sein.

In Reaktion auf die Einführung des caveirão haben die Gangs der Drogenhändler begonnen, sich hochentwickelte Granatengeschosse und Schusswaffen zu kaufen, um mit diesen den Panzer des caveirão durchschlagen zu können. In der favela Inhaứma hat das BOPE kürzlich eine Art Handbuch oder Leitfaden gefunden, in welchem die Drogenbosse beschreiben, wie der caveirão angegriffen werden kann. In diesem Leitfaden gibt es Kapitel über Arten von explosiven Stoffen, die gegen den caveirão eingesetzt werden können, Methoden, das Fahrzeug anzugreifen und Anleitungen zu städtischen Guerillataktiken.

Amnesty International ist jedoch ebenso besorgt über die von der Polizei bei solchen Einsätzen routinemäßig bei sich geführten und verwendeten Waffen. Polizisten im Inneren des caveirão sind bewaffnet mit belgischen Waffen namens FAL, die über ein 7,62 Kaliber verfügen. Ein solches Kaliber durchschlägt jedes Ziel mühelos. Die Polizei verwendet daher Waffen, die gerade in den dicht bevölkerten favelas und den nur aus dünnen Materialien gebauten Häusern extrem gefährlich für die dort lebenden Menschen sind.

Der caveirão und die Straflosigkeit

Die Polizei tötet jährlich Hunderte in Rio de Janeiro. Die Ermittlungsstandards sind niedrig, und so enden die meisten Vorfälle mit Straflosigkeit für die beteiligten Polizisten. Die Polizei behauptet wiederholt, dass die Opfer Drogenhändler waren, die während einer „Konfrontation“ starben. Offiziell werden diese Vorfälle als autos de resistência (Belege des Widerstands) eingeordnet, eine allumfassende Kategorie, die die Anwendung legitimer Selbstverteidigung seitens der Polizei impliziert. Wieder und wieder haben Beweise auf außergerichtliche Exekution und die exzessive Anwendung von Gewalt hingewiesen. Basisorganisationen haben kürzlich begonnen, Vertuschungsaktionen der Polizei zu hinterfragen und Zeugen heranzuziehen, um die polizeiliche Version der Ereignisse anzufechten.

Mit dem caveirão ist es extrem schwierig geworden, Klagen gegen die Polizei anzustrengen. Obwohl ballistische Untersuchungen theoretisch in der Lage sein sollten, Kugeln bis zu individuellen Waffen zurückzuverfolgen, wird diese Methode praktisch nicht durchgeführt und Untersuchungen erfolgen selten. Die Anonymität, die die Polizei genießt, während sie aus dem caveirão heraus agiert, verschlimmert das Problem. Daher schießt die Polizei aus dem caveirão auf Gemeinschaften, ohne Angst vor Verfolgung zu haben. Anwohnern zufolge gab es in Verbindung mit dem caveirão elf Tote zwischen Mai und September des letzten Jahres in den Favelas von Manguinhos, Jacarezinho und Acarí – fünf davon an einem einzigen Tag. Trotz mehrerer Anschuldigungen wurde noch kein Polizeibeamter bezüglich eines Ereignisses in Verbindung mit dem caveirão angeklagt.

Der tragische Tod von Carlos Henrique

Der elf Jahre alte Carlos Henrique war klein für sein Alter und trotzdem ein verheißungsvoller Stürmer des Junior-Teams von Botafogo. Carlos, ein leidenschaftlicher Anhänger des Fußballteams in Rio, träumte davon, eines Tages professionell Fußball zu spielen und seiner Familie ein Leben außerhalb der Favela zu ermöglichen. Eines Sonntagabends im Juli 2005 ging Carlos Henrique mit seinem Vater zu einem Fest im Viertel Vila dos Pinheiros, in der Nähe vom Haus seiner Familie.
Als ein caveirão in die Favela fuhr, gingen Schüsse los und alle rannten, um sich zu verstecken. In der Nähe waren Kinder auf einem Riesenrad so verängstigt, dass sie beinahe sprangen. Carlos Henrique wurde von einer Kugel, die ihn in den Kopf traf, zu Boden gerissen. Verzweifelt nahm der Vater seinen Sohn auf den Arm und rannte los, um Hilfe zu bekommen. Erst da merkte er, dass auch er im Körper und am Hinterkopf getroffen worden war. Er brach mit seinem Sohn in den Armen zusammen.
Die Kugel hatte den oberen Teil des Kopfes des Jungen abgerissen, sein Vater jedoch überlebte und wurde schnell ins Krankenhaus gebracht. Währenddessen lag die Leiche von Carlos Henrique auf der Straße, bis sie am nächsten Morgen eingesammelt wurde. An diesem Nachmittag versammelten sich 300 wütende Anwohner zu seiner Beerdigung auf dem Friedhof von Caju.
“Ich will Gerechtigkeit. Das kann nicht so bleiben. Mein Sohn war kein Drogenhändler – er war ein Kind, ein Träumer“, sagte seine Mutter, die 30-jährige Renata Ribeiro Reis, auf der Beerdigung.

Der caveirão und die öffentliche Sicherheitsstrategie

Die Anwendung des caveirão ist Teil einer ganzen Richtung der öffentlichen Sicherheitsstrategie in Rio de Janeiro, die auf gewaltvollen, auf Konfrontation ausgerichteten Polizeieinsätzen basiert. Für Marcelo Freixo von der Organisation Justiça Global, die in Rio ihren Sitz hat, ist das ein falscher Ansatz: „In Städten wie Rio de Janeiro gibt es eine Kultur des Kriegs, die Vorstellung, dass der Feind zerstört werden muss. Oftmals dient dies dazu, illegale Polizeiaktionen zu legitimieren.“ Der caveirão als ein Fahrzeug im militärischen Stil bestätigt diese Kultur, wie es auch die Regierung des Bundesstaats mit ihrer umfassenden Strategie zur Durchführung von „Invasionen“ in Favelas tut.

Amnesty International versteht den Ernst des öffentlichen Sicherheitsproblems in Rio de Janeiro und die Schwierigkeiten, mit denen die Polizei konfrontiert ist, wenn sie mit einem hohen Grad an Gewalt umzugehen hat. Die Polizei hat das legitime Recht, sich selbst zu schützen, wenn sie ihrer Arbeit nachgeht. Aber sie haben ebenso die Pflicht, die Gemeinschaften zu schützen, die sie betreuen. In vielen Fällen führt die rücksichtslose Art, mit der der caveirão eingesetzt wird, zur exzessiven Anwendung von Gewalt. Die aggressive Vorgehensweise bei Polizeieinsätzen hat zu unsäglichem Leid in Rios sozial benachteiligten Gemeinden geführt sowie zum Zusammenbruch des Vertrauens in das Vermögen des Staates, die Ordnung aufrechtzuerhalten und Sicherheit zu garantieren.

Für Amnesty International stellt der caveirão ein machtvolles Symbol für das Versagen der öffentlichen Sicherheitspolitik in Rio de Janeiro dar. Sicherheit für alle wird nie durch Gewalt und Einschüchterung erreicht werden. Eine umfassende, die Menschenrechte respektierende öffentliche Sicherheitspolitik muss ohne Aufschub eingeführt werden. Erst dann wird es ein Ende des Gewaltkreislaufs in Rio de Janeiro geben.

Empfehlungen:

Die Amnesty International-Aktion gegen den Caveirão ist Teil einer weltweiten Kampagne zur Öffentlichen Sicherheit mit dem Fokus auf Menschrechtsverletzungen und Polizeiarbeit in Brasilien. Die Kampagne startete in Brasilien im Dezember 2005 mit der Veröffentlichung des Berichts „They come in shooting: policing socially excluded communities in Brazil“ (Sie kommen herein und schießen: die Polizeistrategie in sozial benachteiligten Wohngegenden) (AMR 19/025/2005)
(Siehe: http://web.amesty.org/library/Index/ENGAMR190252005)

Zusammenfassung der wichtigsten Anliegen Amnesty Internationals:

- Der Caveirão wird im Zusammenhang mit gewaltsamen Polizeioperationen verwendet. Dies widerspricht Artikel 3 des UN-Verhaltenskodexes für Beamte mit Polizeibefugnissen, welcher besagt, dass Gewalt nur angewendet werden darf, wenn sie absolut notwendig ist und dass sie nur für zwei Zwecke, nämlich zur Verhütung von Verbrechen und zur Unterstützung der rechtmäßigen Festnahme von Straftätern oder Verdächtigen verwendet werden sollte. Die verwendete Gewalt sollte in Bezug zu den zu erreichenden legitimen Zielen nicht unverhältnismäßig sein.

- Der Caveirão ist Teil einer diskriminierenden Polizeistrategie, welche ganze Wohngegenden durch das ziellose Abfeuern von Schüssen, durch aggressiven Einsatz von Megafonen und bedrohlichen Symbolen (Totenkopf) einschüchtert.

- Weit davon entfernt Sicherheit zu gewährleisten, ist der Caveirão bei der betroffenen Bevölkerung äußerst unbeliebt. Sie fürchtet die unsensible und respektlose Art und Weise mit der ihre Nachbarschaft von der Polizei behandelt wird.

- Die mit dem Caveirão durchgeführten Operationen gefährden das Leben der Anwohner; einige von ihnen wurden durch Kugeln, die von Polizisten aus dem Caveirão abgefeuert wurden, getötet oder verletzt.

- Die Verwendung von militärisch anmutender Ausrüstung hat zudem zu einer Art Wettrüsten zwischen der Polizei und den Drogenbanden geführt, das zu einer Eskalation von Gewalt und Menschrechtsverletzungen beiträgt.

- Der Caveirão ermöglicht der Polizei die Wahrung von Anonymität, was eine strafrechtliche Verfolgung der Polizisten bei Menschrechtsverletzungen erschwert.


Empfehlungen Amnesty International’s


Amnesty International fordert die staatlichen Behörden auf, den Gebrauch des Caveirão zu stoppen, um:
- diskriminierend zu töten
- ganze Wohngegenden einzuschüchtern
- vermehrt gewaltsame Polizeioperationen durchzuführen
Amnesty International fordert die staatlichen Behörden auf, eine auf Menschenrechten basierende Polizeiarbeit einzuführen, welche die Interessen der Bevölkerung schützt und repräsentiert.

„Sai Caveirão“ Rap

Caveirão ist der gepanzerte Wagen
Voller Waffen, Gewehre an allen Seiten
Er kommt in die Favela hinein und schießt sofort los
Er trifft Unschuldige
Die Bewohner der Favela können das nicht mehr ertragen

Aus dem Lied „Sai Caveirão“ von Edilson Ernesto aus der Gemeinde Maré, Rio de Janeiro.

Postkartentext

Sehr geehrte Gouverneurin Sra. Rosângela Rosinha Garotinho de Oliveira

Carlos Henrique war auf dem Weg nach Hause, als die Polizei im Juli 2005 die Favela Vila de João stürmte. Nach Zeugenaussagen wurde er durch einen Kopfschuss ermordet, der von einem gepanzerten Militärwagen abgefeuert wurde, der als caveirão bekannt ist. Er war 11 Jahre alt. Zwischen Mai und September 2005 sind 11 Personen bei caveirão-Einsätzen ermordet worden.
Trotz der Militarisierung der Polizei ist die Gewährleistung von Sicherheit für die verwundbaren Gemeinschaften Rios misslungen.

Ich bitte die Regierung Rios den caveirão nicht mehr einzusetzen:
Für willkürliche Tötungen
Um ganze Gemeinschaften einzuschüchtern
Um gewalttätige Polizeieinsätze mit exzessiver Gewaltanwendung durchzuführen

Eine öffentliche Sicherheitspolitik, die auf der Einhaltung der Menschenrechte basiert, muss schnell eingeführt werden. Nur so kann der Gewaltzyklus in Rio de Janeiro beendet werden.